Nur im Miteinander
Vor einigen Wochen bereits haben die Vereine im Murgtal ihre vielfach erfreuliche Bilanz 2016 gezogen. Wenn die Stadt Gaggenau in ihr Jahrbuch blickt, mögen sich die Verantwortlichen mitunter zu Recht auf die Schulter klopfen. Einiges wurde erreicht: So hat die Stadt das Mobilitätskonzept 2030 auf den Weg gebracht, den Hochwasserschutz an den gefährlichen Stellen entschieden verbessert und auch den Wohnungsbau (wenn auch nicht immer „sozialverträglich“) vorangetrieben. Zum krönenden Abschluss konnte Oberbürgermeister Christof Florus noch einen glänzenden Doppelhaushalt 2017/18 auf dem Silbertablett präsentieren. Dank hoher Gewerbesteuereinnahmen vor allem durch das weiter florierende Benz-Werk kommt die Stadt ohne Neuverschuldung aus.
Grund, die Sektkorken knallen zu lassen, besteht allerdings keineswegs. Die Gaggenauer Altenhilfe als Stadttochter ist in akuter Finanz- und Personalnot, der Tourismus-Zweckverband „Im Tal der Murg“ steht noch immer ohne Geschäftsführer (und nennenswerte Ergebnisse) da und manche Bauprojekte, wie etwa das Murgcafé, konnten nur mit Ach und Krach, teils nach mehrfacher Verzögerung, beginnen. Dass das Waldseebad bereits schließen musste, noch ehe die Saison im Juni begann, war zwar vor allem Mutter Natur geschuldet, doch eine Stadt, die zwei Sommer lang ihr größtes Freibad verriegelt, muss sich fragen lassen, ob sie hier im Vorfeld nicht einiges versäumt hat. Der Entscheidungsprozess im Frühjahr dürfte jedenfalls mehr als zäh werden.
Was die Stadt und das Murgtal insgesamt 2016 ausgezeichnet hat, waren weniger die politischen Entscheidungen als vielmehr die Leistungen der Gemeinschaft engagierter Bürger. Nicht nur auf den großen Dorffesten wie in Bad Rotenfels oder Michelbach liefen sämtliche Abläufe von der langen Vorplanung bis zum Abbau der letzten Bude Hand in Hand, auch bei der Betreuung der Flüchtlinge bewiesen die Ehrenamtler im gesamten Murgtal Konzilianz und Nächstenliebe. Dieses starke Band der Gemeinschaft stimmt trotz dieses schicksalhaften und vielfach zermürbenden Jahres 2016 hoffnungsfroh.
Gerade hat die Stadt Gaggenau die Ergebnisse des Bürgerprojekts „Zukunft 2020“ vorgestellt. Die Wunschliste ist lang und vielfach durchaus umsetzbar. Ob sich aber in Hörden so einfach mehr Wohnraum schaffen lässt, ob es in Oberweier eine bessere Verkehrsanbindung geben kann und sich in Freiolsheim ein Dorfladen etabliert, das ist mehr als ungewiss. Die Stadtoberen sollten aber ihr dickes Finanzpolster nutzen, um auch die unbequemen Themen anzupacken. Angesichts der guten Haushaltslage auf Autopilot zu stellen, wäre falsch.
Und wieder sind die Bürger gefordert, die Entscheidungsprozesse beharrlich, mehr noch als bislang, mitzugestalten. Denn, das ist vielleicht die gute Botschaft des so anstrengenden Jahres 2016: Es geht nur im Miteinander. Christian Hensen